Mormonische Geschichte
Die Daniten wieder als
Thema aufgegriffen - 1880
Der Salt Lake Tribune -
12. März 1880
DIE DANITENBANDE
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Elder Forscutt erzählt
Einzelheiten über seine Erfahrungen mit diesen Mördern.
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(Chicago Tribune, 23.
Februar)
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(übersetzt von Manfred Trzoska)
Mr. Mark H. Forscutt, ein
Ältester der Reorganisierten Mormonenkirche, der jeden Sonntag in
der West Madison Street Nr. 213 Gottesdienst abhält, hielt gestern
Morgen eine Ansprache über die Daniten. Er hatte keinen Zweifel,
sagte er, dass das Thema viele seiner Zuhörer überraschen und
einigen von ihnen kaum für eine religiöse Ansprache als Thema
passend erscheinen würde, dennoch sollte man sehen, dass es wirklich
von großer Wichtigkeit war. Es war gesagt worden, dass die Heiligen
der Letzten Tage mit ihnen verbunden Männerbanden hatten, die man
"Daniten" nannte, und während der vergangenen Woche wäre
in einem Theater dieser Stadt ein Stück aufgeführt worden, das in
das Wirken dieser Körperschaft einen Einblick geben sollte. Der
Sprecher hatte eine Menge darüber gehört und als er letzte Woche
hinging, um es zu sehen, informierte ihn die Theaterkarte, dass das
Stück die beste Lektion über Mormoinismus wäre, die man hören
könnte - eine Aussage, der er auf keinen Fall zustimmen konnte. Er
war seit seiner Kindheit mit der Kirche verbunden und wäre dort
gewesen, wo angeblich die Daniten herrschten. Während er dort war,
kannte er einiges von dem, was die Welt ihnen vorwarf. Er wusste
genug, um sagen zu können, dass ihre Missetaten, von deren Existenz
er vollkommen überzeugt war, nicht der Kirche der Heiligen der
Letzten Tage angelastet werden konnten.
Um das Thema zu
betrachten, wäre es notwendig, in die Geschichte zurückzugehen. Der
Sprecher beschrieb kurz, die aufeinanderfolgenden Bewegungen der
Mormonen bis zur Vertreibung aus Nauvoo. als gemäß allgemeinem
Glauben die gesamte Kirche nach Utah ging. Dies wäre falsch. Die
Kirche zählte damals 150.000 bis 200.000 Seelen, von denen nicht
mehr als 20.000 nach Utah gingen. Die Übrigen waren und sind immer
noch in den ganzen Staaten verstreut und, obwohl sie immer noch
Lehren der Kirche folgten, hielten sie sich aus Furcht oder um der
Politik willen von ihr fern. All diese halten dafür, dass man in
Nauvoo nicht an solche Einrichtungen glaubte, wie sie in Utah
existieren. Die Institutionen in Utah wuchsen unter der Führung
Brigham Youngs heran und sind verdammt, da ihre Anhänger einfach
abgefallene der Kirche sind, deren Verfassung sie von Anfang an mit
Füßen getreten haben. Der Sprecher wusste, dass er ihre Meinungen
zum Ausdruck brachte, als er sie als falsch und die Kirche als
illegal anprangerte.
Der Sprecher war zur Zeit
der Verfolgung der Heiligen in Missouri in jenem Staat, als
infolgedessen eine Bande von Minute-Men
organisiert wurde. Col. Hinkle wurde von militärischen
Autoritäten Missouris bevollmächtigt, die Heiligen der Letzten Tage
zur Verteidigung der Kirche und ihren [Freunden?] zu organisieren.
Dies war an sich in Ordnung, aber man wollte nicht jene Enthusiasten,
die weiter gehen wollten, bis schließlich die Organisation zur
Verteidigung in eine des Angriffs heranwuchs, und daher wurde die
Körperschaft als die Daniten bekannt; so nach Dan benannt, um ihre
geheime Methode des Übeltuns mit dem Muster der Worte der Bibel zu
vergleichen: "Dan wird sein wie eine Schlange auf dem Weg, eine
Otter auf dem Pfad, die in die Fersen des Pferdes beißt, so dass
sein Reiter herunterfällt." Die Daniten hatten heimlich an der
Vernichtung all derer gearbeitet, die nicht mit ihrer Art des Denkens
im Einklang waren. Durch das Endowment-System wurden sie durch
schreckliche Schwüre verpflichtet, nicht nur die Dynastie Utahs zu
unterstützen, sondern auch alle zu bestrafen, die anderer Meinung
waren, und während sie ihr Werk verrichteten, sind sie vieler
Gräueltaten und zahlloser grausamer Morde schuldig geworden.
Insofern aber, dass die Heiligen der Letzten Tage bei ihren Taten
irgendwelche Komplizenschaften hätten, so haben sie am meisten unter
ihnen zu leiden gehabt. Der Sprecher selbst war, während er in Utah
wohnte, ständig in Schwierigkeiten, weil er fortwährend gegen die
Geheimbande kämpfte, die mit allen in ihrer Macht stehenden Mittel
nach seiner Vernichtung und die seiner Familie trachtete. Sein Haus
wurde Tag und Nacht beobachtet. Es war versucht worden, die Familie
zu vernichten, Kugeln sausten dicht an ihm vorbei und nur die
Vorsehung oder die erbärmliche Fähigkeit der Mörder zu zielen
bewahrten ihn. Nachdem er solches erduldet hatte, kam er in die
Staaten und fuhr damit fort, sich gegen die Ziele und die Politk der
Banden kundzutun, wie er es in Utah getan hatte.
Während der Zeit, als
Gen. Conner aus Kalifornien in Utah kam, um Anti-Brighamiten zu
beschützen, begannen die letzteren eine Zeitung, die Vidette genannt
wurde. Der Sprecher und Dr. Robinson standen mit ihrer
Veröffentlichung in Zusammenhang und es kam ihm (dem Sprecher) zu
Ohren, dass sie verurteilt worden wären, innerhalb einer Woche zu
sterben. Er informierte Dr. Robinson über die Tatsache, aber er
weigerte sich, die Warnung ernst zu nehmen. Der Sprecher machte sich
nach Colorado davon und am selben Abend wurde Dr. Robinson aus seinem
Bett gerufen, um einen Mann zu besuchen, der ein gebrochenes
Körperglied hätte. Der Rest der Famillie flehte den Doktor an, das
Haus nicht zu verlassen, aber er bestand darauf, dass er es auf Grund
einer solchen Botschaft nicht ablehnen könnte, zu gehen. Er war nur
wenige Schritte vom Haus entfernt, als er niedergeschlagen und
getötet wurde.
In einem der Läden
dieses Ortes hörte man am nächsten Tag einige Frauen sich über den
Robinson-Mord unterhalten und eine von ihnen bemerkte: "Zwei
weitere müssen noch gehen." Die anderen fragten: "Ist
Forscutt einer von ihnen?" Und als die Frauen bejahten,
entgegnete sie: "Gott sei Dank; er ist in Sicherheit." Es
war beschlossene Sache, sagte der Sprecher, dass er denselben Weg
gehen sollte, und über Mord dachte man so leichtfertig wie über
jedes andere Thema der alltäglichen Unterhaltung an den gewöhnlichen
Aufenthaltsorten.
Er beharrte darauf,
nachdem sie das erlitten hatten, dass es falsch wäre, dass die
Heiligen der Letzten Tage genau für die Schrecken verantwortlich
gemacht werden sollten, die sie in größerem Maße als die restliche
Welt etragen hatten. Die Kirche der Heiligen lehrt diese Übel nicht.
Der Sprecher bezog sich
dann auf das Buch der Lehre und Bündnisse Joseph Smiths, dass, wie
er behauptete, kein Buch größere Reinheit vonseiten derer verlangt,
die seinen Vorschriften folgen. Das Buch verlangt, dass Mitglieder
sich unter das Gesetz des Landes stellen sollten und dass sie auch
jene dem Gesetz übergeben sollten, die es übertreten hatten. Als
Beweis für den Gehorsam, den die Heiligen der Vorschrift gegenüber
leisteten, zitierte der Sprecher einen Fall, der sich vor nicht
langer Zeit in Pittsfield ereignete. Ein Mann wollte in der Kirche
der Heiligen getauft werden und der Sprecher lehnte aus guten Gründen
ab. Der Typ hatte woanders mehr Erfolg und kurz danach heiratete er
eine wohlhabende Witwe. Bald stellte sich heraus, dass er schon
verheiratet war, woraufhin ihn die Heiligen dem Gesetz übergaben und
ihn verklagten, und so ist es überall gewesen, nämlich dass jene
Körperschaft dem Gesetz beständig jenen Respekt und Gehorsam
zollte, dass von ihnen im Buch der Lehre und Bündnisse verlangt
wurde.
Dann zitierte der
Sprecher die Worte von Bischof Lee, dem verdammten Mormonen, und Bill
Hickman, dass beide es verstanden haben wollten, dass sie nicht
Brigham Young gehorchten, sondern an Joseph Smith glaubten. Der
letztere sagte mit Tränen in seinen Augen, dass er, wenn er nie
etwas anderes getan hätte, was Smith ihn gelehrt hatte, nicht in
seine Schwierigkeiten geraten wäre. In Nauvoo hätte Smith entkommen
können und selbst, wenn er sich dafür entschieden hätte, hätte er
seine Feinde besiegen können, aber er war vorbereitet, vom Gesetz
des Landes gerichtet zu werden, und dementsprechend [erduldete er].
Der Sprecher las dann
einen Brief von William B. Smith vor, einem Bruder Josephs, indem
erklärt wird, dass es überhaupt keine Ähnlichkiet gäbe zwischen
der Lehre Joseph Smiths und dem Abfall Brigham Youngs, den er nicht
nur als frevelhaft charakterisierte, sondern als Hohn auf den Namen
seines Bruders.
Das Buch Mormon sagte,
dass dem Volk keine geheimen Schwüre oder Bündnisse erlaubt sein
sollten. Die Lehre war deutlich, aber trotzdem wurde sie nicht nach
dem Buchstaben befolgt. Die Leute dachten, dass die Lehre meinte,
dass es keine Geheimorganisation für Gewinn oder Böses geben
sollte, und auf Grund dieses Glaubens wurden geheime Körperschaften
ins Leben gerufen. Der Sprecher nahm an ein oder zwei Bündnissen
teil, als er in Utah war, und obwohl er sie verlassen hatte, hatte er
nie ihre Geheimnisse preisgegeben. Zur gleichen Zeit fühlte er sich
verpflichtet zu sagen, dass diese Organisationen nicht gut wären.
Sie waren eine Folge der Polygamie und dazu gedacht, jene üble
Einrichtung zu unterstützen. Im Widerspruch zur Theorie, dass Joseph
Smith ein Polygamist war, erklärte der Sprecher, dass Mrs. Smith
selbst ihm gesagt hätte, dass er keiner gewesen wäre, und vor ihrem
Tod hatte sie besonders geleugnet, dass dies der Fall war.
Zur allgemeinen
Verteidigung der Kirche der Heiligen erklärte der Sprecher, dass die
Berichte der Gefängnisse und Zuchthäuser zeigten, dass die
Heiligen, während die Mitglieder anderer Glaubensbekenntnisse halfen
sie zu füllen, keinen einzigen Repräsentanten dort hatten, und dies
obwohl die Heiligen zahlenmäßig unter den verschiedenen
Glaubensbekenntnissen an fünfter Stelle stehen. Als Schlussfolgerung
verlas der Sprecher die Ehezeremonie der Kirche, bei der die
heiratenden Parteien nicht nur zustimmen, dass sie sich nicht nur
füreinander reservieren, sondern auch allen anderen entsagen, als
Beweis, dass die Reorganisierte Kirche gegen die Lehre und Ausübung
der Polygamie ist.
Anmerkung 1: Der obige
Artikel vermittelt den Lesern den Eindruck, dass "der Sprecher"
der zusammengefassten Predigt Ältester Mark Hill Forscutt war und er
allein. Forscutt wanderte erst 1860 von England in die Vereinigten
Staaten aus. Er wurde 1865 ein Reorganite, nachdem er ungefähr vier
Jahre bei den Mormonen in Utah verbracht hatte. Sein Wissen über die
HLT-Kirchengeschichte in Missouri während der 1830er konnte nur aus
zweiter Hand gekommen sein. Als er sagte, dass er in Missouri war,
log er - aber vielleicht sprachen mehr als ein Ältester auf der
Versammlung und der Bericht war eine Zusammenfassung von mehreren
Berichten. Es gab viele ältere RHLT-Mitglieder, die 1880 noch lebten
und die sehr gut die geheime Organisation und die Aktivitäten der
"Daniten" in Missouri und ihre Nachfolger in Nauvoo und
später in Utah kannten. Die RHLT-Führer des 19. Jahrhunderts waren
im Allgemeinen zögerlich, peinliche Einzelheiten aus der
Missouri-Periode der Kirchengeschichte auszuplaudern. Sie zogen es
offensichtlich vor, dass ihre Anhänger glaubten, dass die ersten
"Daniten" nur Enthusiasten innerhalb der Caldwell-Co.-Miliz
waren, fromme "Minute Men",
die auf "üble" Abwege gerieten, während sie die
einmarschierenden Missouri-Heiden abwehrten. Diese reingewaschene
Sichtweise der Geschichte ignoriert völlig die Rolle Sidney Rigdons
und Joseph Smiths bei der Organisation der "Daniten" als
eine Geheimpolizei gegen Abgefallene lange bevor irgendwelche Gewalt
zwischen den Far-West-Mormonen und ihren nichtmormonischen Nachbarn
ausbrach. Während man argumentieren könnte, dass die Daniten kein
offizieller Teil der HLT-Kirche waren und dass Präsident Joseph
Smith Jun. nicht an jeder einzelnen ihrer Versammlungen teilnahm und
über sie präsidierte, ist die Verwendung solch einer
paramilitärischen Streitmacht durch die Top-Mormonenführerschaft
während und nach dem "Mormonenkrieg" im Jahr 1838 eine
nicht zu leugnende Tatsache. Die RHLT-"party
line", zu erklären, dass das Erschaffen und
Aufrechterhalten der Daniten das Werk der "Dynastie Utahs"
war (d. h. der "Zwölf") ist nur teilweise wahr, um den
angreifbaren Ruf des "Gesalbten des Herrn", Joseph Smith
Jun., zu schützen. Es mag wahr sein, dass die meisten Hosea Stouts
und Porter Rockwells nach Westen, nach Utah, gegangen waren und die
RHLT verhältnismäßig frei vom danitischen Einfluss zurückließen,
aber es ist ebenso wahr, dass zahlreiche frühe RHLT-Mitglieder
wussten, dass diese mormonische Geheimpolizei die Schöpfung Sidney
Rigdons und Joseph Smiths Jun. war.
Anmerkung 2: Der
RHLT-Älteste beruft sich auf das Zeugnis von William B. Smith und
Emma Hale Smith, um die angebliche Reinheit von Joseph Smiths
religiösem System und Smiths persönlichem Familienleben zu
untermauern. Er hätte sich genauso gut auf die Familie Brigham
Youngs berufen können, um zu beweisen, dass Young ein wahrer Prophet
und glaubentreuer Förderer von Smiths Religion war, wie sie in
Nauvoo praktiziert wurde. Einem Bekehrten wie Forscutt könnten die
Behauptungen der Familie Smith glaubhaft geklungen haben, aber
denjenigen in seiner Chicago-Zuhörerschaft, die William Smith
tatsächlich kannten, hätte man dafür vergeben können, dass sie
dazu einfach ihre Augen rollten und ihr Erröten zu verbergen
suchten.